Donnerstag, 28. September 2006

zweiter ÄFFISCHER moment


die möglichkeit von liebe

heisst nun

mehr schmerz als tod

doch bleibe ich mir aussicht

vergeht auch diese noth

an mir

Samstag, 23. September 2006

Sie ist vierzig

Aus sehr aktuellem Anlass:

Udo Lindenberg
"Sie ist vierzig"



Morgens zum Frühstück
kommt ihr Mann mit dem Spruch:
Ich hab' dich lieb, doch wo ist meine Zeitung?
Er glotzt da rein,
und ihr fällt auch nichts mehr ein
dann latscht er ins Büro,
und sie ist wieder allein
manchmal denkt sie,
ich säge sie an
unsere Wasserleitung

Und dann bestell' ich den charmanten Installateur
bei Frau Nachbar geht der aus und ein
ja, so was las sie auch schon mal im Frauenjourna
laber weg mit solchen Ideen, und sie läßt es lieber sein

Und dann staubsaugt sie los, im Zimmer ihrer Tochter
und wieder sieht sie das Plakat von James Dean
und sie versinkt in seinen Augen
und träumt die alten Träume
sie ist jenseits von Eden, mit zitternden Knien

Sie ist vierzig' und sie fragt sich
war das nun schon alles
was für mich vorgesehen war?
Vielleicht sollte sie jeden Tag so leben
als ob's der letzte wär'
mit so einem Typ wie Jimmy
in Californien am Meer


Als sie ihren Tarzan geheiratet hat
ganz in Weiß, '58 im Mai
da sagte er: Meine Hitze wird niemals verglühen!
Doch wenn sie sich heute einmal die Woche
im Bett bemühen
dann schlafen sie nur aneinander vorbei.


Sie ist vierzig, und sie fragt sich
wie komm' ich raus aus diesem Wartesaal?
Mit tiefgefrorenen Träumen im Kühlschrank
bis der Sensemann kommt und sagt:
Na, dann woll'n wir doch mal -
vielleicht sollte sie jeden Tag so leben
als ob's der letzte wär'
mit so einem Typ wie Jimmy
in Californien am Meer

Dienstag, 19. September 2006

ähnet der brugg


in einer wand
aus wolkenstürzen
in einem tag
der keiner ist
endet die brugg
im nichts

hier springe ich
gewöhnlich
in den tod
will sterben
um zu leben
und stehe immer wieder
auf ihrem sims
aus altem stahl

halt mich
lass mich
leben
das alte spiel
die balance
wenn keine hält
in ihrer mitte


darüber gehe ich
hinweg
überwinde ihre mitte
endlich
die ewige
den reiz der aare
der grünen
die heute grau
wie rotze ist

die nebel decken mich
mein weitergehen

zu einem haus
das dunkel in den regen weint
bassflötentöne sendet
totenlieder aus einem leib
gestossen
die stadt vergeht
im himmel.

bleibt nur der leib
der lebt.
der solche töne kann.
der bleibt.
der leib.
der lebt.
mir.
auch.
auch mir.
mir auch.

Samstag, 16. September 2006

Stufen und Wanderdüne


Von diesem Holzweg stiess mich meine damalige Ehefrau vor siebenundzwanzig Monaten die fünf Zentimeter in den heissen Sand und aus unserem Leben. Erst jetzt, nachdem ich die Wanderdüne gefressen habe, sehe ich die Stufen, auf denen es weiter geht.
Dafür danke ich ihr heute.
Danke Regine.


Hermann Hesse

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Eine Frau erzählt ihren Tod


Das Ende einer Reise - STOCKHOLM 1

Es gilt nun, von mehr als nur einer Reise nach Scandinavien zu berichten, obwohl diese eindrucksvoll genug war. Wer mir jetzt ins Wort fallen möchte, da in Schweden ja letztlich auch alles Scheisse sei, wie die Freundin sagt, die dort lebt, den bitte ich, den Blog hier zu vergessen, mich zu lassen und weiter mit dem Spiegel zu reden. So dumm kam mir selten jemand. Sorry.

Meine Reise begann vor siebenundzwanzig Monaten und sollte von einem Blog begleitet werden, der so nie entstand. Schade eigentlich. Am Anfang meiner Götzenbilder ist einiges dazu gesagt. Auch finden sich hier Texte, die anstatt des Blogs in den letzten zwei Jahren entstanden sind.

Recht deftig, deutlich und vor allem irreversibel hatte mich die Frau von der ich nun (noch nicht rechtskräftig) geschieden bin, auf diese Reise geschickt. Und in den letzten Wochen wurde mir im Rahmen diverser Erschütterungen und Beben klar, dass sie nun zu Ende geht.

Ich musste mich selbst verlassen um zu mir zu kommen.

Ganz im Sinne Hesses eine neue Stufe erklimmen, schmerzvoll. Noch kann ich nicht fassen, dass es gelungen zu sein scheint. In den nächsten Posts hier werde ich das darzustellen versuchen.

Dreh und Angelpunkt der Veränderungen sind die "Sterben lernen" Texte. Nach der traumatischen Trennung von der Frau die ich "die Liebe meines Lebens" nannte, einer neurotischen Psychoschlägerei mit eben dieser, um sie sicher loszuwerden (was freilich nicht gelang), traf ich ein Psychologenpaar, welches sich in einer sehr langen Sitzung meiner annahm. Allein diese Nacht ist eine Geschichte wert, die geschrieben werden wird. Die beiden eröffneten mir am Ende, das ich a.) meine Frau sterben lassen muss und b.) mich selbst. Psychologisch sterben lassen, um dann, wie ich heute erst weiss, neu geboren zu werden.

Die Wehen haben begonnen. Dank hier an E., von der ich das Bild des schmerzhaften Wachsens habe. Ich liebe Frauen, die sich selbst durchleiden. Schmerzhaft wachsen. Hinaus über sich selbst.

Ich musste den, den meine Frau verlassen hatte, also sterben lassen. Genau so und nicht anders erklärt sich der Text mit Sturz in die Aare, die vielen anderen Totentexte, mein Stück "Nichts - ganz für sich. Ein Totentanz." in dem frisch Verstorbene agieren. In der Wohnung der Trennung, mit Blick über den grünen Urner See, hingen Hesses Stufen aus.

Und genau diese Toten- und Sterbebilder, die es mir erlaubten, Stück für Stück einen Weg zu gehen, den ich sonst kaum ertragen hätte, führten zu einer Reihe Kontakten, von denen sich einige heute in den Links hier rechts wiederfinden. "Stirb mit mir ein Stück" heisst ein Lied von Hans Ekkard Wenzel.

Die letzten Wochen sind voll von Zeichen, wie ich es noch selten erlebte. Neu ist, dass ich sie zu deuten weiss. Sie sagen "Du!" und "Handle!". Eines der Zeichen markiert für mich das Ende meines bildhaften Sterbens. Nach all dem Wälzen im "Grab der Gefühle" (Sue Juhasz) hatte ich ein Erlebnis, welches mir ein Ende der Bilder signalisierte.

Die Frau die ihren Tod berichtet

Ich war beruflich die letzte Woche in Stockholm um dort an einem Kongress etwas zu lernen. Zu meinem Beruf, dem eines Kardiotechnikers (Perfusionisten), gehört es auch, zu versuchen, Ertrunkene an einer Herz - Lungen -Maschine zu erwärmen und wieder zum Leben zu erwecken. Ich möchte da nicht weiter ins Detail gehen, aber die Geräte, die wir bedienen, erlauben es letztlich, über eine Beeinflussung der Temperatur und des Stoffwechsels, das Herz und den Kreislauf planmässig zum Stillstand zu bringen. Wir können den klinischen Tod induzieren, aber auch wieder aufheben. Daher landen Ertrunkene an unseren Maschinen, so das Wasser kalt genug war und die Kälte die Zellen geschützt hat. Die Ergebnisse sind traurig, selten geht es gut aus.

Eine Session während des Kongress war dem Ertrinken gewidmet. Doktor Walpot aus Genf stellte sein neues Buch, sowie einige grundlegende Richtlinien und Zahlen zum Thema vor. Er sprach auch davon, dass der längste bekannte, revidierte Ertrinkungstod zwanzig Minuten in Eiswasser gewesen sei. Die gerettete Frau sei Kollegin, eine Röntgenärztin gewesen. Als nächster und schon abschliessender Vortrag, war der "Ertrinkungstod aus Patientensicht" angekündigt.
Das Mikrofon wurde an eine grosse, schöne, sehr sportliche junge Frau gegeben. Sie stellte sich als Ärztin vor. Bei so einem Kongress berichten viele Ärzte über viele Fälle, doch das Auditorium wollte seinen Ohren nicht trauen, als sich die junge Frau als DIE Ärztin aus Tromsö in Norwegen vorstellte, der dieser Unfall geschehen war. Schlagartig waren alle wach.

In sehr lockerem Ton zeigte sie zuerst auf einer Karte, wie weit im Norden ihr Arbeitsplatz lag und das er natürlich einlud, die Zeit nach dem Dienst mit Kollegen auf Ski zu verbringen. Sie zeigte Fotos von dem Gletscher, den es hinab gegangen war und auch die Stelle, an der sie die Gewalt über die Ski verloren hatte. Ihr Sturz und Flug war als schwarzer Strich auf das Bild gemalt. Aufgeschlagen war sie auf einer Art Wasserblase unter dem Eis, welches nicht hielt. Sie stürzte mit Ski und Ausrüstung in vier Grad kaltes Wasser. Ihre begleitenden Kollegen, beides Ärzte, hatte keine Chance ihr zu helfen, denn sie geriet unter die Eisdecke und verschwand. Der Versuch, ein zweites Loch zu schlagen, scheiterte, da nur eine Platikschaufel zur Verfügung stand. Die Tatsache, dass zum selben Zeitpunkt ein Rettungshubschrauber in der Luft war, kommentierte die junge Frau: An diesem Tag sei einiges gut für sie gelaufen. Da lachte das Auditorium noch über ihren Spass. Mit richtigem Material wurde ein zweites Loch geschlagen und die Verunglückte nach etwa zwanzig Minuten geborgen. Es existiert ein Foto ihrer "Leiche" in welches sie nun während des Vortrages ihre Vitalwerte einblendetete, die das nicht mehr waren.
Keine Atmung, kein Puls, kein Blutdruck, weite, lichtstarre Pupillen, isoelektrisches EKG, Baseexzess -15, ph um die 6.3, pco2 höher 70 mm hg, nur das Kalium war mit 4.3 mmol/l "not so bad" wie die Schöne lachend fand. Auch hier lachte das Auditorium mit. Dann folgte die Beschreibung der guten Erstmassnahmen und des Transports. Wieder hatte sie Musse für den Joke, einen ihrer Retter zu zeigen, der sich auf die Schaufel stützte, während sie reanimert wurde. Neben ihrem Tod fand sie sein Asthma erwähnswert, welches ihn zum Verschnaufen zwang, nachdem sie aus dem Wasser befreit war.
Das nächste Foto war schon eines aus dem Spital, es war ihr nackter Körper zu sehen, der weiter reanimiert und gestochen wurde. Hier wich meine Begeisterung der Gänsehaut. Dieses Bild kennen wir alle. Aber nicht präsentiert von der Frau, die dort auf dem Schragen liegt. Als nächstes war ihr Weg in den OP zu sehen. Der Reanimierende rittlings auf ihr. Ich musste an J.J. aus Basel denken, den ich oft in dieser Pose gesehen habe. Die Schöne erwähnte verschmitzt, dass dieser Arzt bis heute ab und an auf ihr hocke, da sie ihn geheiratet habe...

Von da ab wurde ihr komplikationsreicher Verlauf dargestellt, der alles bot was unschön ist. Sie hing für fünf Tage an einer künstlichen Lunge (auch die gehört zu meinem Beruf), wurde fast vier Wochen lang beatmet, war tetraplegisch und hatte einen Hämothorax, den sie selbst auf Röntgenbildern zeigte. Natürlich mit witzigen Bemerkungen, da sie ja selbst Röntgenärztin war.

Ihre Leidensweg bis zur für uns alle sichtbaren Genesung dauerte zwei Jahre. Ihre Schlussbotschaft war simpel und klar.

"Never give up!"

Tränen schossen den hart gesottenen Zuhörern in die Augen. Dann gab es Applaus, wie ich es noch nie an einem Kongress gehört habe. Standig Ovations für die Frau, die ihren eigenen Tod erzählt hat.


Von all den Zeichen der letzten Wochen, die von blauen Mondscheinnächten bis zu Sternschnuppen und durch Schaufenster fahrende Ausflugsdampfer (Schiffen winken!!!) reichen, war diese Frau das kräftigste. Wie gelähmt war ich für Minuten.

Ich sah mit einem Male, wie gross der Unterschied zwischen unseren psychologischen Toden und dem richtigen ist. Unsere Tode wollen durchlitten sein, damit wir leben können. Und hören wir auf diese Frau, auch wenn es noch so weh tut. Geben wir nicht auf. Denn irgendwann fahren wieder Schiffe durch die Schaufenster vorbei an einer Kirchturmuhr, die dich in Nächten nicht wecken kann, in denen du wach geblieben bist.

Ich verneige mich vor dieser Frau aus Tromsö in Norwegen und vor allen, die ihre Schmerzenswege gehen. Einige sind hier nebenan zu lesen, eine kann man manchmal in Konzerten hören und eine ist einfach da.
Als Medium einer Kraft, die grösser ist als jeder Schmerz.

Zum Schluss für Interessierte: Ungefragt sagte die junge Frau, das sie keinerlei Erinnerung, auch nicht an Schmerz habe. In ihrem Fall also mal kein weisses Licht, keine Tunnel und so weiter.
Sie sagt aber auch, dass sie glaube, was andere aus dieser Situation berichten. Sie sei wohl zu rational für "so was", meinte sie. Ihr letzter Lacher. Und sie hatte mehr als nur eine Nahtoderfahrung!
Diese Frau war tot!

Leben wir wie sie.
Mutig den Tod im Auge.
Aber leben!

Freitag, 8. September 2006

Mittwoch, 6. September 2006

SCHUHSCHRANK


wenn
du weit weg bist
mir deinen schuhschrank zeigst
purzelt dein lachen
neben mich

dann
naht sie mir
und ich hab ein gewehr im mund

bist du gemein
ist sie es auch

ALL DIE JAHRE

war sie es nicht
wirst du es sein

doch
sie ist fort
und ich rieche nach waffenöl

wenn
du ganz nah bist
mir keinen schuhschrank zeigst
purzel ich lachend
über dich