Donnerstag, 12. Oktober 2006

Ich traf den Engel der Verlassenen als er von mir weiter zog. Zu anderen, die sich nun winden. Für sie nochmal:

Syphilisters G�tzenbilder: Sterben lernen vom Meister beschrieben

1 Kommentar:

  1. Und hier noch mal für Dich, denn es ist ebenso immer gültig:

    Das rote Herz

    Schweigend stellte sie ihm den Teller hin.
    Auf dem Teller lag ein Herz.Dieses Herz machte den Anschein, als ob er es essen sollte. Es lag auf einem Teller mit Goldrand, dargereicht ohne Messer und Gabel, geschmückt mit etwas Petersilie.
    Sie hatte ihn vorher nicht gefragt, ob er diese Speise zu sich nehmen wolle.
    Er erkannte mit Entsetzen, dass es ihr Herz war, das sie ihm dort angeboten wurde. Verwirrt und fassungslos blickte er über den Tisch, in ihr Gesicht und dann auf das Herz.
    In dem Augenblick wo sie ihm den Teller hingestellt hatte, wurde ihr klar, dass sie den Zeitpunkt falsch gewählt hatte.
    Er wurde reserviert, ängstlich und argwöhnisch: Würde er es essen, so würde das rote Blut seine Wangen herunterlaufen, sein weißes Hemd benetzen, dort Spuren hinterlassen.
    Sie hätte ihn erst darauf vorbereiten müssen. Er sollte es doch nur ansehen, in die Hand nehmen, die Schwere wiegen.
    Sie erkannte schmerzlich, dass er es nicht verstand und ebenso wenig wusste er was er damit anfangen sollte. Sie hätte ihm erzählen müssen, dass sie noch ein weiteres zweites Herz in ihrer Brust trug, eines das fest und unaufhörlich gegen ihre Innenwand pochte und sich nicht entfernen ließ.
    Das Herz, das sie ihm serviert hatte, war ein Ableger ihres eigentlichen Herzens. Es war aus Glas, gefüllt mit dem roten Saft der Leidenschaft, der Flüssigkeit aus dem die Wünsche und Träume sind. Dieses Herz bildet sich neben dem ihrem aus. Immerfort.
    In dem Wissen, dass dort an der Stelle, wo es gesessen hat, ein neues wächst, gab sie es gerne fort. Wenn sie dieses Herz nicht weggeben könnte, dann würde sie eines Tages bersten.
    Manchmal ging sie in den nahegelegenen Wald. Dort vergrub sie das überschüssige Herz in der schwarzen Erde. Das eine um das andere Mal ruderte sie auf den nahegelegenen Fluss hinaus, um es in den Fluten zu versenken. Oder sie bannte dieses Herz auf einem Tafelbild,in einem Text oder einem Objekt.
    Würde er dieses Herz essen, so könnte er sich den Mund daran zerschneiden. Die Splitter würden dann tief in seine Zunge und Wangen eindringen. Der rote Saft würde sich mit seinem Blut vermischen. Dies könnte schreckliche Wunden hervorrufen. Und dann, zuletzt würde er jämmerlich daran ersticken. Dies wollte sie ihm nicht und auch sonst niemandem auferlegen.
    Er sollte nur dasitzen, das Herz anschauen, und wenn er wollte konnte er es berühren.

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