Mittwoch, 18. April 2007

Fremde Federn (Eva Strittmatter)

Aus: "Der Schöne (Obsession)" II

ICH SUCHE IN MIR, UM MICH VON MIR
ABZULENKEN
Ich will an etwas Schönes denken.
Doch denkt sich nichts vom einstmals Schönen.
Nicht mal die Liebe zu den Söhnen
Hilft gegen Nichts. Ich kann mich nicht gewöhnen
An mich als Einzeltier...In fünfzig Jahren
War ich die Hälfte von den Paaren
Die recht und schlecht zusammenpassten.
Ob wir uns liebten oder hasten,
Wahrhaftig waren oder logen,
Ich war stets auf den Mann bezogen.
Den einen liebte ich vor allen
Und dieser ist in Tod gefallen.
Ich bin nichts und ich denke nichts
Unwert des Tages und des Lichts,
Seit ich um ihn beraubt bin. Doch die Schande
Ist, dass ich über dem sande
Hinweggeh und von neuem suche.
Beflucht mit dem ererbten Fluche
Der halben Unvollkommenheit
Suche ich den, der mich vollende
Und habe dabei keine Zeit.
Ich suche Glück kurz vor dem Ende...
Nur dieses Suchen lenkt mich ab
Von den Gedanken an das Grab.


*p.s. vom syphilister:

indem ich mir hier erlaube diese grosse lyrikerin zu zitieren, verneige ich mich tief vor ihr. am nordhang ist kein sand mehr, in den ich mich werfen könnte. hier grünt es wie an heiner müllers grab zur zeit.

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