Mittwoch, 22. November 2006
Der Narziss nach dem Feuer einer brennenden Säule
Du hast mein Glas zerscherben lassen
Mit einem Blick und deinem Sein
Du konntest nach dem Kerne fassen
Und schmolzest mir die Spiegel ein
Mit heisser Hand lässt du mich leuchten
Verbrennst Kulissen im Akkord
Die meine Wahrheit nur verseuchten
Das führt zu einem Massenmord
Es sterben mir die grossen Lügen
Von meinem Ich von meinem Sein
Dich kann ich nicht mit Schein betrügen
Du läufst schnurstracks im mich hinein
Dort raucht der Haufen der ich war
Du stehst in meinen Trümmern
Dein Atem macht die Luft mir klar
Du wirst Dich um mich kümmern
Ganz nackt steh ich nun in der Welt
Und wollte mich wohl schämen
Du sagst wie sehr dir das gefällt
Ich soll mich doch nicht grämen
Du hast so Recht seh ich mich an
Nehm Tücher von dem Spiegel
Und wie ich wärmend strahlen kann
Du brachst die kalten Siegel
Du liebst nicht was ich wollte sein
Du liebst nicht meine Bilder
Mein Innerstes das fuhr Dir ein
Sahst hinter meine Schilder
Ich bin nun wahr wie nie zuvor
Durch dich und deinen Willen
Den bläst du mir dann heiss ins Ohr
Komm her! Ich werd ihn stillen!
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Wow, Götz! Das ist ja der Hammer, und das nicht nur deshalb, weil ich nicht einen Schnitzer im Metrum entdecken konnte, sondern weil v.a. auch der Inhalt irre ist. Durchgängig hast du das Reimschema abab und als Versmaß 3- und 4-hebige Jamben verwendet, wobei die Verse jeweils abwechselnd auf weiblicher und männlicher Kadenz enden. Super!
AntwortenLöschenDen Inhalt muss ich mir genauer anschauen (hoffentlich reicht der Platz aus *g), denn es kam ja schon öfter vor, dass ich Gedichte anders interpretierte, als du es intendiert hattest (obwohl das ja nicht schlimm ist – aber ich denke, es ist auch für dich interessant zu erfahren, was so ein popliger Leser aus deinem Gedicht mitnimmt).
Du hast mein Glas zerscherben lassen
Mit einem Blick und deinem Sein
Du konntest nach dem Kerne fassen
Und schmolzest mir die Spiegel ein
Da ist jemand in das Leben des Ichs getreten, der es so wahrnimmt, wie es tatsächlich ist. Von Äußerlichkeiten (Spiegeln) lässt das Du sich nicht blenden, nein, es erfasst den Wesenskern, den das Ich ausmacht. Man könnte fast vermuten, dass der Protagonist absichtlich eine Scheinwelt (Glas, Spiegel) um sich aufgebaut hat, vielleicht als Schutzwall, um sein wahres Inneres zu verbergen. Doch mit dem Auftauchen des Anderen ist er bereit, diese Fassaden aufzubrechen, aufbrechen zu lassen, sich in die Karten blicken zu lassen, was dafür spricht, dass er dem Du vertraut.
Mit heisser Hand lässt du mich leuchten
Verbrennst Kulissen im Accord
Die meine Wahrheit nur verseuchten
Das führt zu einem Massenmord
Das Du schafft es, die wirklichen Stärken des Ichs zu Tage zu fördern, es reißt die Kulissen des einstigen Theaters im Akkord (das spuckt mein Wörterbuch nur mit „kk“ aus) nieder und beendet das elendige Schauspiel, zu dem sich das Ich täglich gezwungen sah. Dieses Schaustück bekam ihm nicht gut, verseuchte oder verbarg seine wirkliches Sein. Die Zeile mit dem Massenmord – nun ja, nicht so mein Ding. Wollte das lyrIch aus Frust zum Mörder werden, wenn das so weiter gegangen wäre?
Es sterben mir die grossen Lügen
Von meinem Ich von meinem Sein
Dich kann ich nicht mit Schein betrügen
Du läufst schnurstracks im mich hinein
Das Ich hat mit Lügen gelebt, wobei ich mich frage, ob es nur die Anderen oder auch sich selbst belogen hat – vielleicht auch beides. Jedenfalls hat dieser Lug und Trug nun ein Ende, denn das Du lässt sich nicht lackmeiern, weil es hellsichtig ist. Z4 soll es bestimmt „in“ mich hinein heißen, stimmts oder hab ich Recht?
Dort raucht der Haufen der ich war
Du stehst in meinen Trümmern
Dein Atem macht die Luft mir klar
Du wirst Dich um mich kümmern
Hier wird noch einmal auf das Feuer des Du’s Bezug genommen, welches es vermochte, das alte Ich in Schutt und Asche zu legen. Das Du steht inmitten der Trümmer der zusammengefallenen Ich-Ruine und ist bereit, beim Wiederaufbau, bei der neuen Ichwerdung zu helfen. Geil. Erinnert mich an den Phönix.
Ganz nackt steh ich nun in der Welt
Und wollte mich wohl schämen
Du sagst wie sehr dir das gefällt
Ich soll mich doch nicht grämen
Nun steht das neue Ich ganz nackt in der Welt – logisch, denn bei der Geburt trägt man das Adamskostüm. Die Stelle mit dem Schämen und Grämen ist nicht nur niedlich, sondern da hast du erneut einen tollen Reim hingelegt, der nicht 08/15 ist.
Du hast so Recht seh ich mich an
Nehm Tücher von dem Spiegel
Und wie ich wärmend strahlen kann
Du brachst die kalten Siegel
An dieser Stelle die Verbindung zu Strophe 1. Zwar ist liegt der alte Spiegel in Scherben, doch offenbart der neue den wahren, warmen Kern des Protagonisten. Das, was ihn wirklich ausmacht, kann er nun im Spiegel erkennen – kein falscher, kalter Schein, nur noch warmes Sein.
Du liebst nicht was ich wollte sein
Du liebst nicht meine Bilder
Mein Innerstes das fuhr Dir ein
Sahst hinter meine Schilder
Die Syntax in Z1 ist ziemlich verdreht, aber dennoch wird klar, was ausgesagt werden soll. Früher gab das Ich vor, jemand anderes zu sein, um sich in den Augen der Anderen vielleicht wichtiger zu machen. Das Du hat diesen Trug erkannt und mochte nicht dieses Scheinheilige, dieses Lügengebäude, sondern nahm die Wirklichkeit wahr. Es zeigte an der wahren Identität des Ichs Interesse, blickte ihm, vielleicht aus Liebe, in die Tiefe seiner Seele.
Ich bin nun wahr wie nie zuvor
Durch dich und deinen Willen
Den bläst du mir dann heiss ins Ohr
Komm her! Ich werd ihn stillen!
Und so kommt, was kommen muss. Die Karten wurden offengelegt, und das Spiel findet in einer Liebe sein Ende. Muss ich noch einmal sagen, dass mir dieses Werk richtig gut gefällt? Nicht wirklich, oder?
Gruß von einem Streuner
vor allem kommuniziert dieses gedicht damit:
AntwortenLöschenSyphilisters™ G�tzenbidet
aber auch damit:
Syphilisters™ G�tzenbidet
oder damit:
Syphilisters™ G�tzenbidet
nein mit letzterem eigentlich nicht, aber sonst guckt ja keiner das irre bild an, welches da unten dazu gekommen ist. da es sich hier um eine werkbank handelt, verändern sich nämlich auch ältere posts. aber danke für diese antwort die mir logischerweise sehr viel freude und mut macht. gleich werde ich sie angemessen würdigen. doch erst sehe ich mal, ob diese links funktionieren.
streuner? sag mal ist das zufall?
gruss
götz
so viel ist gar nicht mehr zu sagen. deine interpretation ist sehr nah an dem was ich wollte. mit den links verweise ich auf die herkunft des spiegel und feuerbildes. im grunde besingt und befeiert das lyrische ich eine frau, die nicht TOLL sondern STOP gesagt hat. die eben sofort durchgesehen hat (im wahrsten sinne des wortes) und in der lage war vom lyrich ernst genug genommen zu werden.
AntwortenLöschenwenn wir lügen, belügen wir immer auch und immer zuerst uns selbst.
aus den vorgängertexten ergibt sich, das lyrich verbirgt ein nichts...welches dann natürlich keines ist. das wird in zukünftigen texten stehen...
denn ich hoffe mein schreibrausch hält noch eine weile an.
deine kritiken regen mich sehr an. sonst gäbe es nicht so viel gereimtes gerade. und ich liebe es mich selbst zu widerlegen.
danke nochmal.
und erkläre mir mal, wie du auf "streuner" kommst. ist das zufall, oder weisst du was?
dnake maya
götz schwirtz
dieser link gehört auch dazu. das bild mit den tüchern über spiegel,
AntwortenLöschenhabe ich seit ein paar tagen immer wieder.
geschichten vom herrn �.: spiegel