Donnerstag, 25. Mai 2006

Das Hakenkreuz im Beton - DDR Anfang der Siebziger

Nochwas zu Heyes Aussagen über die Herkunft der Nazis und den Zusammenhang zur DDR, was eine sehr komplizierte Realität ist.

Eine wahre Geschichte:

Anfang der siebziger Jahre in der DDR war ich vier oder fünfjährig, noch kein Schulkind und konnte also ein Hakenkreuz höchstens ein oder zweimal irgendwo gesehen haben. Der Antifaschismus war strikte verordnet, was auch bedeutete, dass die Symbole im Gegensatz zu heute, überhaupt kaum zu sehen waren. Auch in der Gegenpropaganda hatten sie keinen Platz. Es waren verbotene Zeichen und wurden nicht dargestellt. Wo ich dann irgendwann mal eines gesehen habe, weiss ich nicht. Meine Eltern waren Lehrer und vielleicht lag ein Buch herum.

Eines Tages spielte ich in unserem Hof, der eine kleine von Flieder umgebene Hangwiese war. Irgendwer musste mich schon angeschissen haben, die Zahl der Verbote in diesem Hof war enorm. Zum Beispiel war eine Generation vor mir ein Junge in die Jauchengrube gefallen und somit das Spielen auf dieser und ihren Deckeln verboten. Sah ich diesen Jungen als erwachsenen Mann seine Eltern besuchen, fand ich, nach ihm roch das ganze Treppenhaus immer noch nach Scheisse. An diesem Tag jedenfalls war auch das Baumeln am Geländer der Treppe aus dem Keller verboten, da es wahrscheinlich von dem immer noch stinkenden jungen Mann, frisch einbetoniert worden war. Das erste Mal sah ich weichen, noch glänzenden Beton und erlag seinem Reiz. Ich hockte auf der Ziegelmauer neben dem kleinen hellgrauen Quadrat und irgendwas führte meinen Finger, bevor ich aus dem Hof und dem Blickfeld der ganzen Hausgemeinschaft floh. Ich hatte ohne Fehler und Richtig herum, ohne Absatz und Schmieren ein Hakenkreuz in den frischen Beton gemalt. Eben wie Heye sagt, das Maximum an Verbotenem getan. Hätte ich auf Frau Müllers Wäsche gepisst oder sie in der Jauchengrube versenkt, das Entsetzen wäre nicht grösser gewesen. Diese Frau Müller, eine durchgeknallte Achtzigjährige, die aus ihrer Hilfserzieherinnenzeit in einem Waldorfkindergarten, das Wissen um Wiesen und Waldgeister behalten hatte, die sie bei ihren allmorgendlichen Taugängen beschwor, und die also mit dem Staat DDR sehr wenig am Hut hatte, die nahm mich als erste ins Verhör und Gebet. Das war unangenehm, da sie stark milchig nach alter Frau roch. Meine Eltern erklärten mir dann später eindrücklich und handfest, dass ich ein Verbrechen begangen hatte. Unbewusst war das ja auch mein Ziel, schliesslich hing ich gelangweilt allein in dem Hof herum. Nun hatte ich Aufmerksamkeit. Woher ich überhaupt das Symbol kannte, ist mir bis heute unklar. Aus dem Riesentheater um die nötige Neueinfassung des Geländers blieb mir aber der absolute Respekt vor dem Hakenkreuz.
Später wurde ich ein glühender Pionier, noch später ein schwelender Liberaler, die kleine, frühe rechtsextreme Eskapade blieb ein winziger scharzer Fleck in meinem Sein.
Freundschaft. Setzen.

Später als auch ich Jungerwachsen geworden war, ohne in die Grube gestürzt zu sein, Frau Müller nicht mehr nach Milch sondern nach Urin und Kot roch, tauchten zum Ende der DDR, welches ich noch nicht absehen konnte, die ersten Neonazis auch bei Jan im "Cafe Inflagranti" auf. Ich stand in der Nähe der "Gammler" den ostdeutschen Ausläufern der Hippiebewegung. Irgendwie ging alles, aber was der Nazi da erzählte war im wahrsten Sinne des Wortes unerhört. Das durfte man doch wirklich nicht. Auch hier wirkte das Maximum an Unerlaubten. Und wie schön sagt Heye:
"Das sind heute die Väter an den Abendbbrottischen."

Schönen Vatertag!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen